Vom armen Dorf zur stolzen Kommune

Führung des Heimat- und Geschichtsvereins durch Hausens frühere Mitte

Offenbach Post vom 12. August 2024 von Michael Prochnow


Fünf Bäcker, zehn Metzger, elf Tankstellen und ein Dutzend Kneipen! Das war einmal in der reichsten Gemeinde Deutschlands! Mithilfe der Lederwarenbe- triebe und der Heimarbeit in fast jedem Hinterhof stieg Hausen in den 1950er und 60er Jahren wie Phoenix aus der Asche. An den Wandel vom armen Dorf zur stolzen Kommune erinnerten Armin Paul und Jochen Roth vom Vorstand des Heimat- und Geschichtsvereins bei einer Stadtführung durch den alten Ort.

Heute sind es übrigens noch ein einziger Fleischer und ein Autoservice, am Anfang und am Ende der Lämmerspieler Straße gelegen, eine Handvoll Gaststätten und mehrere Filialen von Großbäckereien, verdeutlichten die Männer den Wandel. Ein halbes Dutzend Interessierter folgte ihnen vom Marktplatz in die Historie des Hausener Herzens, wo jedes Haus Geschichte schrieb.

Der Aufstieg begann sicherlich schon mit dem Bau der Kapelle. 1728 wurde ihr Grundstein gelegt, vier Jahre später wurde eine Glocke ins Türmchen gehängt, aber erst 1756 wurde sie geweiht, und es dauerte fast noch einmal 100 Jahre, bis ein regelmäßiger Sonntagsgottesdienst gefeiert werden konnte. Das Kirchlein stand mitten auf der Herrnstraße, rechts und links gerade noch ein Durchlass, der ein Pferdefuhrwerk passieren ließ.

Die bescheidenen Dimensionen rühren aus der Tatsache, dass Hausen kirchenrechtlich zu Lämmerspiel gehörte und lange keinen eigenen Pfarrer hatte. 1900 war die Kapelle dann endgültig zu klein und wurde abgerissen, St. Josef gebaut. Damals führte der Durchgangsverkehr inklusive Linienbusse noch durch die Lämmerspieler, erinnerte Roth.

Eine wechselvolle Chronik schrieb auch die Hausener Schule. Den ersten Unterricht gab Lehrer Johannes Ott 1723 in seinem Privathaus. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Räume auf dem Gelände des jetzigen Kapellenhofs errichtet, 1819 um ein Obergeschoss erweitert. Parallel mit der Pfarrkirche entstand 1902 die Friedrich-Fröbel-Schule. Sie wurde wie ihre Vorgängerin mehrmals erweitert, Schüler halfen beim Aushub, dokumentieren Schwarz-Weiß-Fotos.

Auf dem heutigen Parkplatz an der Schumacherstraße standen noch kleine Höfe, daneben befand sich die Bürgermeisterei. Die hatte kaum ein Bürger betreten, selbst Steuerzahlungen wurden nur durch ein Fenster entgegengenommen, schilderte Paul. Unterm Dach befand sich noch eine Polizeistation mit drei Landesbeamten, daneben arbeitete ein Steinmetz. Im frei stehenden Kiosk der Familie Sattler gab‘s neben Fahrkarten noch ein Bällchen Eis und die Tageszeitung für einen Groschen.

Wichtiger Treffpunkt war das Gasthaus „Zum goldenen Engel“ am Eingang der Herrnstraße. Wirt Karl Kreher hatte sich auch beim Arbeiter-Turnverein engagiert und vor der Errichtung des Vereinsheims „Sporteck“ seinen Saal im ersten Stock für Gymnastik und Versammlungen zur Verfügung gestellt. Die Adresse nutzten jedoch nur „die Roten“, die der politisch „Schwarzen“ war die Turngesellschaft.

Paul und Roth zeigten in der Kapellenstraße vor den Standorten Fotos von einstigen Gaststätten. Die „Sonne“ war ein Ausflugslokal mit Biergarten und Möglichkeit, auf der Rodau unterhalb des Geländes Boot zu fahren. Das „Treppchen“ verband, wie üblich, Metzgerei und Restaurant. Auch drei Bäckereien und ein Elektro-Geschäft residierten in Hausens Mitte.

Anhand von historischen Fotos vermittelten Armin Paul und Jochen Roth an Ort und Stelle einen Eindruck von der früheren Bebauung. (Foto: Michael Prochnow)