Obertshausen einst: Keine Liebesheirat – der lange Weg bis zur Stadt Obertshausen

Die Chronik der Stadt Obertshausen

von Fabian Bleisinger

2019 ist das Jahr, in dem Deutschland 30 Jahre Wiedervereinigung feiert. Bereits vor 40 Jahren feierte Obertshausen sein ganz eigenes „Jahrhundertfest“ – die Verleihung der Stadtrechte am 29. September 1979. Das drei Tage lang euphorisch gefeierte Ereignis war der Schlusspunkt einer mehr als zehn Jahre langen Vorgeschichte, in der erbittert diskutiert, gestritten und bisweilen mit harten Bandagen gekämpft wurde.

Die selbstständigen Gemeinden Obertshausen und Hausen waren beide nach dem Krieg stark gewachsen und standen Ende der 1960er Jahre finanziell glänzend da – die Stadtkassen waren voll, die Einwohner zufrieden. Einzig die Verleihung der Stadtrechte, damals in Hessen an das Erreichen der 10.000-Einwohner-Marke gebunden, fehlte den Gemeinden noch zum Glück. Hausen überschritt die magische Grenze als erstes – im Jahr 1971. Doch eine Beantragung der Stadtrechte beim hessischen Innenministerium war zu diesem Zeitpunkt aussichtslos, denn in Wiesbaden hatte die sozialliberale Koalition längst das erklärte Lieblingsprojekt der hessischen FDP in Angriff genommen: eine umfassende Gebietsreform mit dem Ziel, die Zahl der selbstständigen Gemeinden in Hessen von 2.642 auf rund 500 zu reduzieren. Aus 39 Landkreisen sollten 20 werden und statt neun kreisfreier Städte sollten am Ende nur noch sechs kreisfreie Städte übrig bleiben.

Anfang der 1970er Jahre avancierte die Gebietsreform und ihre möglichen Folgen zum absoluten Thema Nummer 1 in Obertshausen und Hausen. So sprachen sich die beiden SPD Ortsvereine vehement gegen eine Zusammenlegung aus – denn schließlich seien beide Gemeinden für sich „leistungsfähig genug, auch in Zukunft den auf sie zukommenden Aufgaben gerecht zu werden.“ Während die CDU in Obertshausen in der Frage der möglichen Zusammenlegung gespalten war, favorisierten die Hausener Christdemokraten eine Zusammenlegung der Gemeinden Obertshausen und Hausen mit Lämmerspiel. Die FDP schließlich sprach sich sowohl in Hausen wie auch in Obertshausen für eine „große Lösung“ aus, d. h. die Zusammenlegung der Gemeinden Hausen, Obertshausen, Lämmerspiel und Rembrücken.

Am Ende des Jahres 1973 waren die Weichen in Wiesbaden jedoch schon längst gestellt – der Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Landkreises Offenbach lag vor. In der Begründung des Gesetzesentwurfs des hessischen Innenministeriums hieß es, Hausen und Obertshausen würden eine „geschlossene Siedlungseinheit“ bilden. Das Gesetz trat schließlich am 26. Juni 1974 in Kraft. Es sah den Zusammenschluss der Gemeinden Hausen und Obertshausen unter dem Namen Hausen vor. Die Zusammenlegung sollte mit Wirkung zum 1. Januar 1977 erfolgen.

Im Laufe der rund zweieinhalb Jahre zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und dem Zusammenschluss der beiden Gemeinden galt es, einige Vorbereitungen zu treffen. So mussten 37 Straßen umbenannt werden, die in den beiden Gemeinden doppelt vorhanden waren, darunter Namen wie Erzbergerstraße, Lämmerspieler Straße oder Waldstraße. Die jeweiligen lokalen Parteiorganisationen schlossen sich zusammen, die FDP bereits 1974, die CDU folgte 1975. Am längsten brauchten die beiden SPD Ortsverbände, die sich nach lang anhaltenden Diskussionen erst im August 1976 auf einen neuen Vorsitzenden einigen konnten.

Die am heißesten diskutierte Frage war jedoch der gemeinsame Name der neuen Gemeinde. Entscheidend für die Namenswahl „Hausen“ der Landesregierung war, dass am Stichtag 31.12.1972 in Hausen 27 Einwohner mehr registriert waren als in Obertshausen. Doch vor allem in Obertshausen regte sich Widerstand, denn den Namen Hausen gab es in der Bundesrepublik Deutschland rund 50 Mal, Obertshausen war hingegen einzigartig. Die FDP scheiterte mit dem kuriosen Vorschlag, der neuen Gemeinde den Namen „Oberts-Hausen“ zu geben – ihr Dringlichkeitsantrag wurde im Gemeindeparlament abgelehnt. Eine Bürgerinitiative hatte innerhalb kurzer Zeit mehr als 6.000 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen, die sich für die Beibehaltung des Ortsnamens aussprachen – darunter 112 Unterschriften von Auswärtigen und sogar 84 Unterschriften aus Hausen. Die Unterschriftenliste wurde von Gemeindevertretern und Initiatoren dem damaligen Landtagspräsidenten übergeben. Im Antwortschreiben aus Wiesbaden blieb es dabei, dass der neue Ort ab 1.1.1977 den Namen Hausen tragen würde. Es wurde jedoch empfohlen, sich nach den im März 1977 stattfindenden Kommunalwahlen wieder mit der Namensfrage zu befassen und einen anderen Namen vorzuschlagen. Die Landesregierung würde diesen Wunsch dann erneut prüfen.


Noch in der Neujahrsnacht 1977 plakatierten engagierte Obertshausener im Ort „Todesanzeigen“ für „unser Obertshausen“ (Pressebild, Januar 1977)

Vom 1.1.1977 bis zur Kommunalwahl am 20. März 1977 wurde der Hausener Verwaltungschef Kurt Müller (SPD) auf Anordnung des Regierungspräsidenten als „staatsbeauftragter“ Bürgermeister eingesetzt. Nach der Kommunalwahl, die die CDU mit deutlichem Vorsprung und rund 59 Prozent der Gesamtstimmen in Hausen und Obertshausen für sich entschied, übernahm am 1. Juli 1977 Robert Roth, der zuvor schon Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Obertshausen war, das Amt des ersten gewählten Bürgermeisters der neuen Gemeinde Hausen mit den Ortsteilen Hausen und Obertshausen. In der neu gewählten Gemeindevertretung kam die CDU auf 23 Sitze, die SPD auf 14. Die FDP war an der Fünfprozenthürde gescheitert und nicht mehr im Gemeindeparlament vertreten. Das Tauziehen um den Ortsnamen sollte schon bald ein erwartetes Ende finden. Auf Initiative eines Teils der SPD-Parlamentarier sowie der Christdemokraten Obertshausens votierte das Gemeindeparlament mit 19 gegen 18 Stimmen – quer durch die Fraktionen – für die Bezeichnung „Obertshausen“. In Hausen halten sich übrigens bis heute Gerüchte, dass für dieses äußerst knappe Ergebnis, mindestens eine Stimme von der Gegenseite „gekauft“ wurde. Die Hausener CDU-Parlamentarier hatten zuvor einen Kompromissvorschlag eingebracht, nach welchem die Gemeinde künftig „Hausen Obertshausen“ heißen sollte, der jedoch nicht zum Zuge kam. Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 gab die Landesregierung dem Antrag der Parlamentsmehrheit statt, die Gemeinde führte nun endgültig die Bezeichnung Obertshausen.

Weitere interessante Geschichten und Episoden aus der Entwicklung der Stadt führt das Buch „Unser Obertshausen – eine Zeitreise durch unsere Heimat“ an. Diese aktuelle 336 Seiten starke Chronik, die mit mehr als 400 Abbildungen und Grafiken anschaulich bebildert ist, ist in Obertshausen beim BücherTreff und in Hausen bei der Buchhandlung Henzler, bei Hoffmann-schreiben-spielen-schenken und beim Jäger-KFZ-Service (ARAL) erhältlich. Auch im Werkstattmuseum „Karl-Mayer-Haus“ in Obertshausen kann das Buch während der Öffnungszeiten oder im Rahmen der dortigen Veranstaltungen erworben werden. In diesen Tagen ist ein Ergänzungsheft zur ersten Auflage der Chronik erschienen. Hierin sind die Seiten enthalten, die bei der zweiten Auflage mit hinzugekommen sind. Besitzer der ersten Auflage können es an den genannten Verkaufsstellen kostenlos in Empfang nehmen.


Die Titelseite der „Extraausgabe“ des Heimatboten zum Tag der Verleihung der Stadtrechte
am September 1979

Anzeigen von SPD und CDU zur Kommunalwahl 1977 im Heimatboten

Ausgewählte Schlagzeilen über das Thema Gebietsreform aus den Jahren 1971 bis 1976