Obertshausen einst: Der Bahnhof in Obertshausen

Die Chronik der Stadt Obertshausen
von Fabian Bleisinger

Von den ersten Planungen bei der Deutschen Bundesbahn bis zur Aufnahme des Regelbetriebs der heutigen S-Bahnlinie S1 sollten fast 40 Jahre ins Land gehen. Wie auch der Obertshausener Bürgermeister Bernd Roth bei der Begrüßung der ersten S-Bahn in Obertshausen im Dezember 2003 feststellte, wurde endlich gut, was lange währte. Heute ist der S-Bahn-Anschluss aus der Stadt nicht mehr wegzudenken – doch der Weg dahin war lang und mit vielen emotional geführten Auseinandersetzungen gepflastert.

Die S-Bahn hat einen Vorläufer: Die Nebenbahnstrecke Offenbach-Dieburg-Reinheim

Eine Bahnlinie samt Bahnhof und den notwendigen Bahnübergängen gab es in Obertshausen schon vor der Inbetriebnahme der S-Bahn. Die Vorarbeiten zum Bau einer „Secundärbahn durch den Rodgau“ fanden im Jahr 1881 statt. Der Geländeabtretung für die zu bauende Bahnlinie stimmte der Obertshausener Gemeinderat im Juni 1886 zu, im Dezember 1894 wurde der Wald abgeholzt. Ein Jahr später entstand der Obertshausener Bahnhof, am 1. Oktober 1896 konnte die fertige Nebenstrecke Offenbach–Dieburg–Reinheim schließlich in Betrieb genommen werden. Von da an war Obertshausen ans deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen.

Für die in Offenbach arbeitende Bevölkerung war die neue Bahnlinie ein wahrer Segen. Wo vorher die Strecke zu den Arbeitsplätzen der Offenbacher Industrie nur mühsam zu Fuß oder per Fahrrad zu bewältigen war, konnte nun der wesentlich schnellere und komfortablere Zug genutzt werden. Wie man in dem Artikel über die Zeitzeugen lesen konnte („Marmelade für zwei Pfennig“, OP vom 11. Januar 2020), begaben sich nun sogar viele Hausener morgens zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof nach Obertshausen.

Die durch die neue Bahnlinie nun stärker wachsende Bevölkerung gewöhnte sich schnell an die „dampfenden Stahlrösser“, doch der Fortschritt forderte auch seine Opfer. Das zeigt sehr deutlich eine Bekanntmachung des Großherzoglichen Kreisamtes in Offenbach vom 11. August 1910: „Wie die Königlich Preußische und Großherzoglich Hessische Eisenbahndirektion Mainz mitteilt, ist die Zahl der auf den Nebenbahnen ihres Bezirks überfahrenen Fuhrwerke im letzten Jahr größer gewesen als im Vorjahre. Außerdem sind noch eine Anzahl Fälle vorgekommen, in denen nur durch ganz besondere Aufmerksamkeit der Lokomotivführer ein Überfahren von Fuhrwerken verhütet worden ist. Die meisten Unfälle sind dadurch entstanden, dass die Wagenführer entweder versuchen, noch vor dem Zuge, dessen Geschwindigkeit sie unterschätzten, über den Überweg zu kommen oder dass sie, wenn sie nicht geschlafen haben, mit Begleitern plaudernd oder im Planwagen sitzend, sich überhaupt nicht darum gekümmert haben, ob sich dem Überwege ein Zug näherte.“

Nicht zuletzt auf Grund der häufigen und nicht selten auch tödlichen Unfälle wurden im Jahre 1914 Schranken an den Bahnübergang angebracht und wenig später auf dem Bahnhof Obertshausen die Petroleum-Leuchten durch wesentlich hellere Gaslaternen ersetzt. Der Fußgängerübergang beim Sägewerk Becker entstand 1951, die Firma Karl Mayer erhielt 1959 einen Privatgleisanschluss. Im Jahr 1970 wurde der Obertshausener Bahnhof auf Grund von Veränderungen bzw. Konzentrationen im Stückgutverkehr der Deutschen Bundesbahn renoviert und erweitert. Die Flachbauten zu beiden Seiten des Hauptgebäudes erhielten je einen Anbau. In Richtung Bahnübergang entstanden dabei zwei zusätzliche Büroräume, auf dem eigentlichen – gegenübergelegenen – Verladeterrain wurde ein 125 Quadratmeter großer Schuppen errichtet. Die bisherige Freirampe wurde überdacht, ein Teil der Auffahrt wurde auf Rampenhöhe gebracht. Im Zuge der Modernisierung der Schrankenanlage verschwand 1974/1975 das Schrankenwärterhäuschen, die Gleisanlagen wurden erweitert sowie eine vollautomatische Vollschranke mit Blinkanlage angebracht.

Der mit einem Drängelgitter versehene Bahnübergang an der Albrecht-Dürer-Straße mit Zugang von der Brühlstraße war im Laufe der Jahre immer mehr zu einem Sorgenkind für die Gemeinde geworden. Im Jahr 1977 passierten täglich innerhalb von nur 30 Minuten etwa 300 Schülerinnen und Schüler den Übergang kurz vor Schulbeginn, viele von ihnen mit dem Fahrrad. Unfälle – auch tödliche – konnten da gar nicht ausbleiben, es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis der Übergang durch eine Untertunnelung entschärft war.

Aufgrund von diversen Klagen und Protesten wurde die Bahnlinie Offenbach-Bieber–Obertshausen–Oberroden–Dieburg zu Beginn des Jahres 1978 wieder aus dem Einsparungsprogramm „Stilllegung von Bahnnebenstrecken“ der Deutschen Bundesbahn herausgenommen. In den Abendstunden, sowie ab Samstagmittag und an den Sonn- und Feiertagen wurden die Züge allerdings durch Busse ersetzt.

-Fortsetzung folgt-

Die ganze Geschichte, sowie viele alte Ortsansichten von Hausen und Obertshausen bietet die zweite Auflage der 336 Seiten starken Chronik „Obertshausen – Eine Zeitreise durch unsere Heimat“. Sie ist in Obertshausen beim BücherTreff, in Hausen bei der Buchhandlung Henzler, bei Hoffmann-schreiben-spielen-schenken und beim Jäger-KFZ-Service (ARAL) erhältlich. Die Chronik kann auch über den Heimat- und Geschichtsverein (E-Mail: vorstand@hgv-obertshausen.de) bestellt werden.


Der Bahnübergang (Aufnahme um 1900). Auf dem Foto sind die letzten Häuser am Ortsausgang Richtung Hausen zu sehen. Links die Wirtschaft Forsthaus, heute Pascha Kebaphaus.

Der Bahnübergang im Jahr 1958. Ab 1914 war hier eine Schranke installiert, am linken Bildrand das Schrankenwärterhäuschen.

Bahnhof Obertshausen im Jahr 1913. Links die im Jahr zuvor eingeweihte neue Herz Jesu Kirche.