Volksbank und Heimat- und Geschichtsverein eröffnen Ausstellung „200 Jahre Raiffeisen“
von Michael Prochnow
OBERTSHAUSEN Damals waren Kuli, Schreibmaschine, Buchhalternase und der Gummifinger sein Hand- werkszeug. Heute braucht Stefan Wächtler sein Laptop, ein Handy und einen Internetzugang. So ändern sich die Zeiten. 1985 begann der Heusenstammer seine Ausbildung bei der Volksbank Hausen, jetzt eröffnete er die Ausstellung „200 Jahre Raiffeisen – Vereinigte Volksbank Maingau, damals und heute“ im Werkstatt-Museum Karl-May- er-Haus.
Werbemittel vergangener Tage sind dort in der Vitrine aufgereiht, Schraubenzieher, Armbanduhr, Ascher, Streichhölzer und die knallbunten Spardosen in der Form eines Atommeilers dokumentieren einen Ausschnitt aus der Entwicklung des Bankwesens vor Ort. Armin Paul, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins, begrüßte zur Eröffnung auch viele ehemalige Banker. Neben historischen Exponaten umfasst die Sammlung Texte zu den Biografien von Raiffeisen und dem Geldinstitut.
Im Jahr 1873 hat sich eine Genossenschaft, die „Spar- und Hilfskasse“, gegründet. Später wurde sie als „Spar- und Darlehnskasse Hausen“ geführt. In Obertshausen gab’s eine ähnliche Kasse ab 1871. Die Spar- und Darlehnskasse Hausen war eines der erfolgreichsten Mitglieder im Landesverband der Hessischen Landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften, zu dessen Gründervätern Friedrich Wilhelm Raiffeisen gehörte.
Die Armut der Arbeiterklasse versuchte man auf recht unterschiedliche Art zu lösen, erinnerte Paul. Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Karl Marx wurden beide 1818 ge- boren – der Sozialreformer Raiffeisen in einem evangelischen Pfarrhaus, sodass der christliche Glaube sein Menschenbild formte. Die Forderungen des Sozialrevolutionärs Marx mündeten in einem gewaltsamen Klassenkampf.
„In Hausen und Obertshausen wurden Raiffeisens Idee eines solidarischen Prinzips
durch die Spar- und Darlehnskassen umgesetzt. Der ver- armten Landbevölkerung sollte über Kleinkredite, die sie sonst nicht oder nur zu Wucherzinsen bekommen hätte, beim Häuserbau und bei Existenzgründungen geholfen werden. Wohlhaben- de Bevölkerungsgruppen standen als Geldgeber oder Bürgen für diese Kredite ein“, erläuterte Paul.
Der tägliche Weg zur Arbeitsstätte im Lederwarenbetrieb in Offenbach war weit, der Arbeitstag lang und beschwerlich. „So tat sich erst die Möglichkeit der Heimarbeit und später die Gründung eigener Fertigungsstätten auf. Um diese Existenzgründungen möglich zu machen, konnte die Kasse wertvolle
Dienste leisten.“ In den 1960er Jahren war die Bank noch in einer Baracke unter- gebracht. Dort bildeten sich besonders an den Freitagen lange Schlangen von Ymos- Mitarbeitern, die ihr Gehalt abholten. Heute erledigen etwa 70 Prozent der Kunden ihre Bankgeschäfte zu Hause am Computer. „Bleibt zu hoffen, dass es die ältere Bevölkerung lernt, sich in dieser neuen Welt zurecht zu finden oder ihre Bankgeschäfte weiterhin vor Ort erledigen kann“, sagt er.
Zu den Öffnungszeiten der Ausstellung im Werkstatt- Museum (Schubertstraße 11) ist Stefan Wächtler an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr anwesend.