Obertshausen – Die Deutsche Spitzengilde feiert ihren Einzug ins Werkstattmuseum Obertshausen vor 25 Jahren. Dazu zeigt die Gemeinschaft aktuell den Weg „vom Handentwurf zur Maschinenspitze“ sowie einen Querschnitt aus Ausstellungen der vergangenen Jahre. Von Michael Prochnow
Die Leder AG und die Spitzengilde waren 1992 die ersten Gruppen, die eigene Schauräume im Werkstattmuseum eröffnet haben.
Firmengründer Karl Mayer persönlich verlieh dem Verein mit Sitz in Offenbach seinerzeit das Gastrecht.
Die Damen um Vorsitzende Gudrun Borck durften bald einen zweiten Raum ausstatten, den die Familie Mayer für den Firmengründer vorgesehen hatte. Die Gilde hängte einen Lebenslauf und ein Porträt auf, das 1983 auf einer seiner Maschinen im englischen Zentrum für Maschinenspitze in Nottingham erstellt wurde.
Zum zehnjährigen Bestehen der vor 35 Jahren gegründeten Spitzengilde fand in dem Zimmer eine große Ausstellung von Wolfgang Häusle statt. Der Obertshausener ist Designer für Maschinenspitzen, entwirft Muster für modische Kleidung, die international Beachtung finden. Er hatte bei der Firma Mayer gearbeitet und für den Verein weitere Kontakte geknüpft. So gewann Gudrun Borck die englische Autorin Pat Earnshaw, die sich intensiv mit der Spitzentechnik befasst und ein Lexikon über alle Spitzenarten und deren Herkunft verfasst hat. Sie war mehrfach in Obertshausen, stellte „Spitzen mit fortlaufenden Fäden“ am Beispiel der Sammlung von Häusle vor, alte, handgeklöppelte Spitzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Die Gilde war von Anfang an deutschlandweit organisiert, erläutert Borck, die gelernte Erzieherin ist. Die Vereinigung zählt aktuell rund 200 Mitglieder, davon einige aus den Nachbarländern. Die überwiegend weiblichen Aktiven tauschen Informationen über unterschiedliche Spitzen und Techniken aus, unterhalten sich über Design, Bücher, Ausstellungen und Wettbewerbe. Nach Obertshausen gelangte die Runde durch ihr Mitglied Sonja Köhler. Die damalige Inhaberin eines Fachgeschäfts für Handarbeit hörte vom neuen Museum und bemühte sich darum, dass die Spitzengilde im Karl-Mayer-Haus einziehen konnte.
Anfangs eröffnete der Kreis drei, heute zwei Wechselausstellungen im Jahr. Zu sehen waren Werke aus der Schenkung der Familie von Wanda Thümmel aus Breslau. Sie hatte nach Frankfurt in einen Haushaltswarenladen auf der Zeil geheiratet, Teppichentwürfe, Plastiken und Büsten gezeichnet und sich auf Spitze spezialisiert. Gudrun Borck präsentierte Werke von Leni Matthaei, der „Königin der Klöppelspitze“.
Nach der Wende kam auch Spitze aus dem Erzgebirge und Textilkunst aus Magdeburg ins Karl-Mayer-Haus, Richelieu- und Markameearbeiten. „Die klugen Magdeburgerinnen“ füllten die gesamte Wand aus, der sächsisch-erzgebirgische Klöppelverband hat das Bild in Nadelspitze gefertigt. Von dort kam auch der Schmuck, der aus Metallfäden gefertigt ist. Freilich fehlt auch der Spitzengilde der Nachwuchs. „Das ist der Arbeitswelt geschuldet“, weiß Gudrun Borck, „die Frauen haben keine Zeit und Muse mehr für ein so zeitaufwendiges Hobby, viele fühlen sich überlastet“.