von Michael Prochnow
„Verleih’ uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“ Das Gebet Martin Luthers hüllt mit einer Briefmarke, das sein Konterfei zeigt, eine zerbrechliche Schale ein. Der Staub des Aschekreuzes klebt noch auf der Stirn, da stimmt das Karl-Mayer-Haus schon auf das Ende der Fastenzeit ein: Hildegard Flechsenhar von der Seligenstädter Klöppelgruppe präsentiert im Werkstattmuseum noch bis zum Weißen Sonntag eine Ausstellung mit kunstvoll und in unterschiedlichen Techniken verzierten Ostereiern.
„Das Ei steht als Symbol der Fruchtbarkeit auch für den Frühling, die Zeit, in der alles aufblüht.“ Die Künstlerin aus der Einhardstadt hat sich umfassend mit der Dekoration zum Auferstehungsfest auseinandergesetzt, filigran bearbeitete Eier von Sittich bis zu Nandu, Emu und Strauß gesammelt. Die Tradition stammt von der „Eierweihe“ aus dem 12. Jahrhundert, fand die Expertin heraus. Je nach Region wurden die Schalen rot, blau, grün oder gelb, aber auch gold- und silberfarbig bemalt. Der Gast verzierte selbst Eier von Wachteln, Tauben, Hühnern, Enten und Gänsen, vor allem mit gekratzten Brauchtumsmotiven, religiösen Darstellungen, Klöppel- und Klosterarbeiten.
Ganz anders das mit kostbaren Fäden umhäkelte „Liebes-Ei“ aus der Biedermeierzeit: Es birgt „geheime Botschaften“ auf einem Band, das mit einer winzigen Kurbel heraus- und wieder hereingedreht werden kann, und wurde auch zu Geburtstag, Kommunion oder Hochzeit verschenkt.
Das Briefmarken-Ei umhüllt rote 30-Pfennig-Marken vom Brandenburger Tor, aus dekorativ aufgebrochenen Modellen blicken geschnitzte Figuren aus dem Erzgebirge oder Zweige mit Blüten und Vögelchen. Hildegard Flechsenhar präsentiert eine Version aus Krülltechnik, heute als Quilling bekannt: Nonnen rollen schmale, bunte Papierbänder auf und legen sie auf ein größeres Ei.
Einen modernen Eindruck vermitteln die Exponate in schwarz-weiß. Danach werden weiße Schalen mit schwarzer Klöppelspitze belegt. Bortenschmuck-Eier sind mit Sprüchen versehen, Borteneier tragen Strohapplikationen, wie sie lange in Mähren angefertigt wurden. Ausstellerin Flechsenhar deutet auf den österlich-christlichen Teil. In mehrere Farbschichten ist das Symbol des Osterlamms gekratzt, ein gehäkelter Jesus am Kreuz oder ein blaues Ei mit Zwiebelmuster.
Besucherinnen und Besucher amüsieren sich über das „Mäuse-Ei mit Ausblick“ und die runde Warnung „Abstand halten“! Mit den „Schrumpel-Eiern“ dokumentiert die Kennerin selbst „Pannen, die beim Gestalten vorkommen können“. Sie plaudert von Bräuchen aus Böhmen, wo in der Nacht von Karsamstag zum Ostersonntag Mädchen beim „Fensterln“ den Burschen „Scheckl“ überreichten. „Anhand der Anzahl der Eier und der gekratzten Sprüche taten sie ihre geheimen Wünsche kund.“ Gab’s nur ein Ei, galt das als Zurückweisung, gute Tänzer wurden mit drei bis fünf Exemplaren belohnt.