von Thomas Holzamer (vom 11.12.2019 Offenbach Post)
Ob Sonne, Goldener Löwe oder das Neuwirtshaus – wohl nur die wenigsten Obertshausener kennen sie noch, die Namen einstiger Gasthäuser. Von denen gab es in Obertshausen und Hausen im 19. Jahrhundert einige.
Obertshausen – Viele Erinnerungen an die Hochzeit der Wirtshauskultur in den beiden damaligen Gemeinden haben die Aktiven des Heimat- und Geschichtsvereins zusammengetragen. In der zweiten Ausgabe unserer Serie blickt unsere Zeitung gemeinsam mit den Heimatforschern diesmal auf den Stadtteil Hausen.
Wie im Nachbarort Obertshausen mangelte es auch Hausen nicht an Gaststätten – vor allem die Kneipendichte vor dem Zweiten Weltkrieg war durchaus beeindruckend und rief sogar das Hessische Kreisamt in Offenbach auf den Plan. So geht aus einem Briefwechsel zwischen dem Kreisamt und der Bürgermeisterei Hausen vom März 1935 hervor, dass es zu diesem Zeitpunkt in Hausen elf Wirtschaften gab. Der Ort selbst hatte damals 1700 Einwohner, „sodass auf 150 Einwohner eine Wirtschaft kommt“, wie das Kreisamt feststellt. „Der Herr Reichsstatthalter in Hessen – Landesregierung – wünscht, darüber unterrichtet zu sein, welche Gründe den Gemeinderat und die Ortspolizeibehörde bei der zweifellos bestehenden Übersetzung des Wirtsgewerbes bewogen haben, das Bedürfnis für eine Wirtschaft in der früheren Turnhalle zu bejahen“, führt das Schreiben weiter aus. Bei der beantragten Konzession für eine ehemalige Turnhalle dürfte es sich wohl um die Turnhalle des Turnvereins Hausen von 1873 gehandelt haben. Den Verein hatten die Nationalsozialisten bereits im Sommer 1933 verboten.
Hausens älteste Wirtschaft – und für lange Zeit wohl auch die einzige – war das Gasthaus „Zur Sonne“, die in der heutigen Kapellenstraße in unmittelbarer Nähe der alten Kirche stand. Die Besitzer wechselten im Laufe der Zeit mehrfach, darunter waren einige Hausener Schultheißen und typische Hausener Namen wie Pirot oder Komo. 1868 brannte das Gasthaus ab, wurde aber bald wiederaufgebaut, nun sogar mit einem Tanzsaal im obersten Stockwerk. Während des Ersten Weltkriegs schlossen die Besitzer das Gasthaus endgültig und führten nur noch die benachbarte Bäckerei weiter.
Bis heute als Gaststätte genutzt wird die „Krone“, die um 1790 an der Ecke Lämmerspieler und Steinheimer Straße als Fachwerkhaus gebaut wurde. Die Rodau floss damals direkt hinter dem Gebäude entlang. Da jedoch die Hausener Einwohner Anspruch auf freien Zugang zum Bach hatten, war der sogenannte „Bachgang“ genau geregelt. Erst mit der Verlegung des Bachlaufs kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erlosch dieses Recht.
Im Jahr 1911 kam die „Krone“ schließlich in den Besitz der Familie Picard. Und zwar deutlich schneller, als das heutzutage ginge – innerhalb weniger Stunden erwarb Martin Picard das Gebäude. Nachmittags während einer Essenspause war darüber gesprochen, um 18 Uhr bereits der Vertrag notariell beurkundet worden. Mit „allem, was da war, mit dem Bier in den Fässern und dem Wechselgeld in der Kasse“ erfolgte die Übergabe. Bereits am nächsten Tag wollte der Verkäufer die Übergabe rückgängig machen. Da dies nicht mehr möglich war, beging er Selbstmord. Lange Zeit verfügte die „Krone“ über den einzigen größeren Saal in Hausen und im Jahre 1950 wurde dort ein Kino eingerichtet.
Weniger dramatisch, aber dennoch nicht weniger spannend ist die Geschichte eines Gasthauses, das inzwischen nicht mehr existiert, aber zeitweise weit über die Region hinaus bekannt war. Bereits am 2. November 1802 hatte sich Peter Hock aus Hausen mit einem Gesuch um Erbauung eines Gasthauses an die Herrschaft in Heusenstamm gewandt. Seinem Anliegen wurde stattgegeben – unter anderem unter der Bedingung, dass der Gastwirt sein Bier aus der gräflichen Brauerei in Heusenstamm zu beziehen hatte.
So entstand im Jahr 1803 das „Neue Wirtshaus“, auch Neuwirtshaus genannt. Es lag außerhalb von Hausen an der Straße nach Seligenstadt und diente auch als Anlaufstelle des Postdienstes. Speziell für die Leinreiter, die mit ihren Pferden die Schiffe von Frankfurt und Offenbach mainaufwärts nach Seligenstadt und Aschaffenburg zogen, sowie für die Postkutschen war ein riesiger Haferkasten an der Straßenseite der Gaststube angebracht, damit auch die Pferde versorgt werden konnten. In den ersten Jahren des Bestehens soll zudem der berühmt-berüchtigte „Schinderhannes“ Gast dort gewesen sein.
Überregionale Bekanntheit erlangte das Gasthaus Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Aufgrund seiner Nähe zum Hengster-Moor mit seinen seltenen Pflanzenarten bot es sich als Ausgangspunkt für Exkursionen von Botanikern an. Das Moor wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zu Deutschlands erstem Naturschutzgebiet.
Viele Einblicke in die Geschichte der Stadt finden Interessierte in der Chronik des Heimat- und Geschichtsvereins. Sie ist sowohl beim Büchertreff, der Buchhandlung Henzler, bei Schreibwaren Hoffmann als auch im Werkstattmuseum zu haben.